Liebe Freunde,
still und leise hat sich die Genderideologie in Deutschland, Europa und weiten Teilen der Welt mit seinen fragwürdigen Lehren geradezu mit dikatorischen Methoden festgesetzt. Viele wissen noch nicht um deren Inhalte und Ziele. Kürzlich hat Facebook, das alleine in Deutschland 27,38 Millionen (Stand Jan. 2014) aktive Nutzer hat, die Möglichkeit geschaffen, dass sich die Nutzer zwischen 60 (!) Geschlechtern entscheiden können. Die sprechende Kapelle meint, dass das nicht der richtige Wege für die Zukunft unserer Welt ist und auch zu einem wirklichen Stolperstein im persönlichen Leben werden kann... Der schweizer Bischof Vitus Huonder hat dazu ein Hirtenwort zum Tag der Menschenrechte geschrieben.
Liebe Grüße, Leo
Eure sprechende Kapelle aus Tronetshofen
in meinem letztjährigen Wort zum Tag der Menschenrechte habe ich daran erinnert, dass die Menschenrechte ihren Grund in der Menschenwürde haben. Diese wiederum hängt mit der Schöpfungsordnung
zusammen und ist gottgegeben. In diesem Jahr möchte ich diese Überlegungen konkretisieren und mich zur Ideologie des Genderismus, kurz Gender, äußern. Ich tue dies nicht zuletzt auch deshalb, weil
sich immer wieder Gläubige in dieser Sache an mich wenden. Sie sind beunruhigt durch die staatliche Vereinnahmung ihrer Kinder zugunsten des Genderismus und durch die politische Infragestellung von
Ehe und Familie.
Was bedeutet der Begriff Gender?
Der Begriff Gender leitet sich vom lateinischen Wort Genus ab, ein Begriff, der vor allem für das grammatische Geschlecht verwendet wird. Während der Begriff der Sexualität das biologische, von der
Natur gegebene Geschlecht meint, soll der Begriff Gender das sogenannte soziale Geschlecht bezeichnen.
Dieses sei vom biologischen Geschlecht unabhängig und bedeute, dass jeder Mensch sein Geschlecht und seine sexuelle Orientierung frei wählen könne, ob er Mann oder Frau sein wolle, ob er hetero-,
homo-, bi- oder transsexuell leben wolle. Was ist das Ziel der Ideologie des Genderismus? Das Ziel des Genderismus ist, dass jede "sexuelle Identität" als gleichwertig akzeptiert wird. In diesem Sinn
geschieht die konkrete gesellschaftliche Durchsetzung dieser Ideologie unter anderem durch das vermeintliche Recht gleichgeschlechtlicher Paare, zu heiraten und Kinder zu adoptieren, oder durch die
(Homo-)Sexualisierung der Kinder in Kindergarten und Schule.
Wie ist der Genderismus zu beurteilen?
Vordergründig geht es im Genderismus um die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die Unterdrückung der Frau zum Beispiel, wie sie in manchen Gesellschaften und
Kulturen noch immer vorherrscht, wird zu Recht beklagt. Sie entspricht nicht der Ebenbürtigkeit von Mann und Frau, die in der Schöpfungsordnung grundgelegt ist und in der Heilsordnung entfaltet wird.
Insofern hat der Genderismus etwas Bestechendes an sich. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Ideologie aber um einen Angriff auf Ehe und Familie als die tragenden Strukturen unserer Gesellschaft.
Ungerechtigkeit im Verhältnis der Geschlechter kann durch die Leugnung der Geschlechterpolarität nicht behoben werden. Deshalb lehnt die Kirche die Ideologie des Genderismus ab. Dazu die folgenden
Punkte:
Der Genderismus leugnet die Schöpfungsordnung
Die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau ist eine Vorgabe des Schöpfers. Darüber kann und darf der Mensch nicht verfügen. Der Schöpfungsbericht sagt, dass Gott den Menschen in seiner
Bipolarität erschaffen hat: "Als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,27). Er schließt mit der Feststellung, dass alles, das ganze Schöpfungswerk, sehr gut war, somit auch die Erschaffung des Menschen
als Mann und Frau (Vgl. Gen 1,31).
Der Genderismus leugnet die Vorgabe der Natur
Der Mensch existiert, so die Schöpfungsordnung, als Mann oder Frau. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sagen uns: Jede seiner Körperzellen ist entweder männlich oder weiblich. Dies ist eine
klare Vorgabe seiner Existenz. Die unterschiedliche kulturelle Prägung als Mann oder Frau hebt diese Polarität nicht auf.
Der Genderismus ist wissenschaftlich unhaltbar
Obwohl sich der Genderismus wissenschaftlich gibt, halten seine Grundlagen der Wissenschaft nicht stand. Viele ausgewiesene Forscher widersprechen den Ergebnissen der "Gender- Studies". Dass es
psychische und physische Störungen der Geschlechtsidentität gibt, hebt die grundsätzliche Verschiedenheit von Mann und Frau nicht auf.
Der Genderismus zerstört Ehe und Familie
Darauf wurde bereits hingewiesen. Die Ehe beruht auf der gegenseitigen Ergänzung von Mann und Frau. Ehe und Familie sind die Grundeinheit der Gesellschaft (vgl. die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte von 1948). Sie sind die Bedingung für den Erhalt der Gesellschaft und ihre kulturelle Entfaltung.
Sie setzen die verbindliche und dauerhafte Einheit von Mann und Frau voraus. Der Genderismus betrachtet jede sexuelle Praxis (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell) als gleichwertig mit der
Heterosexualität. Alle Lebensformen sollen zur "Ehe" und damit zu künstlichen Reproduktionsmethoden und zur Kinderadoption berechtigen. Dem Menschen wird auf diese Weise die moralische Orientierung
für den rechten Gebrauch seiner Freiheit genommen, der ihn zur Elternschaft befähigt, zur Aufgabe einer Mutter oder eines Vaters.
Der Genderismus schadet der Frau
Wie bereits angedeutet, kann die Geringachtung der Frau nicht durch das Verwischen der natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau überwunden werden, auch nicht durch ein Streben der Frau nach
Gleichheit mit dem Mann. Die Frau muss besonders auch in ihrer lebenserhaltenden Aufgabe der Mutterschaft von der Gesellschaft geachtet werden. Ihre Leistung darf nicht nur an ihrem beruflichen
Einsatz gemessen werden. Sie muss vielmehr für ihr Muttersein anerkannt werden, zum Beispiel im Steuer- und Rentenrecht.
Der Genderismus schadet dem Mann
Im Machtkampf gegen den Mann stigmatisiert der feministische Genderismus den Mann als "Täter" und verklärt die Frau als "Opfer". Dieser klischeehafte Dualismus entspricht nicht der Realität und
beschädigt die Identität des Mannes sowie dessen Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Der Genderismus schadet dem Kind
Das Kind muss sich in der stabilen Ehe seiner (biologischen) Eltern entfalten können. Die Zerstörung von Ehe und Familie durch den Genderismus führt bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger zu
psychischen Störungen. Man schafft staatliche Ersatzstrukturen, die Kindern und Jugendlichen aber niemals die gleiche Liebe und Geborgenheit geben können, wie dies in der Familie der Fall ist. Die
Auslieferung von Kindern an gleichgeschlechtliche Paare beraubt sie der Grundlage einer gesunden psychischen Entwicklung. Eine unmoralische sexuelle Aufklärung zerstört in den Heranwachsenden jedes
Feingefühl.
Der Genderismus nimmt totalitäre Züge an
Mit großer Sorge sieht die Kirche, dass in öffentlichen Diskussionen und in den Medien mehr und mehr nur noch die Argumente des Genderismus toleriert werden. Wer anders denkt, wird gesellschaftlich
ausgegrenzt und muss mit juristischen Sanktionen rechnen. Auf diese Weise werden die Grundrechte des Menschen bezüglich Religion und freier Meinungsäußerung zunehmend beschnitten.
Der Genderismus verdunkelt den göttlichen Sinn der Liebe zwischen Mann und Frau Das Verhältnis Gottes zum Menschen, von Jesus Christus zur Kirche, wird in der Heiligen Schrift in der Sprache der
ehelichen Liebe beschrieben. Gott liebt sein Volk wie der Bräutigam seine Braut. Jesus Christus ist seiner Braut, der Kirche, in treuer Liebe hingegeben bis zum Tod am Kreuz. Die Braut erwartet voll
Sehnsucht ihren Bräutigam. In der lebendigen Beziehung zu Christus und der Kirche können die Rivalität, die Feindschaft und die Gewalt, welche die Beziehung von Mann und Frau belasten und entstellen,
überwunden werden. Diese Sicht des Glaubens wird durch den Genderismus verdunkelt.
Die Quintessenz
Papst Benedikt XVI. sagte in seiner Ansprache vor dem Kardinalskollegium und der Kurie am 21. Dezember 2012 zum Genderismus: "Die tiefe Unwahrheit dieser Theorie und der in ihr liegenden
anthropologischen Revolution ist offenkundig ... Wo die Freiheit des Machens zur Freiheit des Sich-selbst-Machens wird, wird notwendigerweise der Schöpfer selbst geleugnet und damit am Ende auch der
Mensch als göttliche Schöpfung, als Ebenbild Gottes im Eigentlichen seines Seins entwürdigt. Im Kampf um die Familie geht es um den Menschen selbst. Und es wird sichtbar, dass dort, wo Gott geleugnet
wird, auch die Würde des Menschen sich auflöst. Wer Gott verteidigt, verteidigt den Menschen."
Ich ermutige alle Gläubigen, ihre gesellschaftlichen und politischen Rechte und Pflichten wahrzunehmen, damit die in der Schöpfungs- und Erlösungsordnung grundgelegte Würde des Menschen auch in der
rechtlichen Ordnung unseres Gemeinwesens weiterhin und umfassend zum Ausdruck kommt.
Für jeden diesbezüglichen Einsatz danke ich herzlich. Ich empfehle alle und alles der Mater divinae gratiae, der Mutter der göttlichen Gnade, und erteile allen meinen bischöflichen Segen
+ Vitus, Bischof von Chur
(Im Jahr 2013)